Die Ostwestfalen, bekannt als besonnen und bodenständig, „haben den Kaffee“ – oder Kartoffelsuppe und Pumpernickel – „auf“. Nach 50 Jahren Planungen, Versprechungen, Zusagen und Versicherungen, nach Verschiebungen, Klagen, Absagen und Hinhalteparolen reicht es den Menschen im Kreis Gütersloh. Heute um 15 Uhr gehen sie auf die Straße. Die B 68, wegen 25 fehlender Autobahn-Kilometer Nadelöhr zwischen Osnabrück und Bielefeld, wird dafür in Halle dichtgemacht.
Parteiübergreifend lädt das am Montag gegründete Aktionsbündnis„A 33 sofort“ um Landrat Sven-Georg Adenauer und die Bürgermeister von Halle und Borgholzhausen zur Demonstration ein und rechnet mit 2000 Teilnehmern.
„Die vage Zusage aus dem Bundesverkehrsministerium reicht uns nicht – genauso wenig wie ein erster Spatenstich“, erklärte Anne Rodenbrock-Wesselmann, Halles Bürgermeisterin. „Wir fordern einen klaren Zeit- und Finanzierungsplan.“ Auch Adenauer „traut dem Braten nicht“. Zwar habe der Protest in den letzten zwei Wochen Wirkung gezeigt, ein letztes Quäntchen Überzeugungsarbeit sei aber noch zu leisten.
Schon in den 60er-Jahren begannen die Planungen für den Lückenschluss der A 33. 1980 wurde das Teilstück in die zweite Dringlichkeitsstufe im Bedarfsplan des Bundes eingeordnet. 1993 hieß es im Ministerium: Ein baldiger Baubeginn wird angestrebt.“ 1995 erklärte Ministerialdirigent Klaus Lohrberg, der Bund habe alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die A 33 bis 2005 fertiggestellt werden könne. Drei Jahre später sagte der damalige Staatssekretär Norbert Lammert: „Der Lückenschluss der A 33 hat höchste Dringlichkeit.“ NRW-Verkehrsminister Ernst Schwanhold bekräftigte im Jahr 2000 das Ziel, die Strecke zwischen Borgholzhausen und Halle ab 2003 zu bauen. Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig sagte 2001 seine Unterstützung zu. Und 2004 zeigte sich NRW-Wirtschaftsminister Harald Schartau optimistisch, dass noch im selben Jahr der Weiterbau beginnen könne.
Und als sich die Dissener im Süden des Osnabrücker Landes vor elf Jahren über die Fertigstellung des jüngsten Teilstücks der A 33 auf niedersächsischem Gebiet freuten, forderten sie vom Ehrengast gleich auf Transparenten „Weiterbau sofort, Herr Clement“.
Gebaut wird hier bis heute nicht. Im Gegenteil. Der letzte Rückschlag traf die A-33-Befürworter Mitte Dezember: Die Baupläne müssten vorerst gestoppt werden. Priorität habe die Sanierung maroder Autobahnbrücken im Bundesgebiet.
Es geht um 13 Kilometer Autobahn für knapp 130 Millionen Euro, die A 1 und A 30 mit A 2 und A 44 und damit zwei starke Wirtschaftsräume verbinden werden. Kein Pappenstiel, aber auch kein Milliardenprojekt.
Da spielt es kaum noch eine Rolle, dass nicht nur Bund, Land, ihre politischen Scharmützel und Finanznöte zum Hemmschuh für die A 33-Süd wurden. Umweltschützer und die kleine, unter Naturschutz stehende Bechsteinfledermaus, die entlang der geplanten Trasse ihre Bruthöhlen findet, sorgten für Planungsänderungen und Mehrkosten. Die berechtigten Interessen der Naturschützer fanden Widerhall im 1184 Seiten starken Planfeststellungsbeschluss, wohl der umfangreichste in der Geschichte der deutschen Autobahn. Über 30 Millionen Euro der Baukosten sollen in Naturschutzmaßnahmen fließen. Über eine Klage der Umweltverbände – ohne bauaufschiebende Wirkung – muss das Bundesverwaltungsgericht noch entscheiden.
Großes Interesse am Lückenschluss haben die Unternehmen der Region – vom Emsland bis Hessen. Schon vor sechs Jahren hatten der Gütersloher Unternehmer und Hausgeräte-Magnat Markus Miele für die IHK OWL und sein Amtskollege Rolf Meyer von der IHK Osnabrück gemeinsam gefordert, die A 33 bis 2011 freizugeben.
Gerd-Christian Titgemeyer, aktueller Vorsitzender der IHK Osnabrück und selbst produzierender Unternehmer, ist die Verbindung Richtung Paderborn „extrem wichtig“. Burkhard Marcinkowski vom Unternehmerverband Gütersloh hält die fehlende Trasse für „volkswirtschaftlichen Nonsens“. Viele Unternehmer hätten sich bei der Standortwahl auf den versprochenen Lückenschluss verlassen.